Beitrag zur gemeinsamen Initiative 1. Mai – 28. Mai 2011
m.c., Knast Lenzburg, Üb.
WissenschaftlerInnen und ForscherInnen, Industrien und Regierungen bewegen uns auf eine neue verheerungsvolle Ära zu: die digitale, der intelligenten Umwelten, der Effizienz des unendlichen Kleinen und der technowissenschaftlichen Konvergenz, die „Grosses“ verspricht. Ein Zeitalter, das sich schon jetzt vor unseren Augen materialisiert, obwohl wir es noch als Sciencefiction wahrnehmen, das epochale Umwälzungen mit sich bringen wird und das uns mit derselben Oberflächlichkeit vorgeschlagen wird, mit der sie uns das neuste TV-Modell, ein neues Handy oder x-“Konsumgüter“ tagtäglich vorschlagen. Sie möchten uns die Zukunft wünschenswert machen und sprechen davon, wie etwa von einem Theaterstück im Programm, wie von etwas, das wir entdecken werden wenn der Vorhang sich hebt und uns nur noch das Zuschauen übrig bleibt.
Die Industrie hat, wie immer schon, die in den letzten Jahrzehnten in der Gesellschaft aufkommenden Spannungen gut zu erfassen und wiederzuverwerten gewusst. Zuerst durch einen erschwinglichen Konsumismus, auch für die ärmeren Klassen der Gesellschaft, und nun durch einen „neuen“ Konsumismus, der nur so strotzt von sozialem und ökologischem Verantwortungssinn, sodass auch Dissens zu Profit wird und es ihnen gelang, die Massen von den Strassen und Kämpfen für einen Umbruch in die Supermärkte hinein zu versetzen, in die Warteschlange vor der Kasse, wo man sich schön gesittet den Lebensstil kaufen kann, den alle das Recht haben für sich auszuwählen. Eine fast messianische Operation, der Konvertierung zu einem bewussten Konsum und zur Hoffnung in die wissenschaftliche Forschung, die eine weitgehende Unterstützung durch den Profi- und Lobby-Umweltschutz gefunden hat, der sich dem Trend mit jenem Eifer angeschlossen hat, der denen eigen ist, die zu ihrem neuen Jesus gefunden haben, dem man getrost das Schicksal des Planeten, die Lösung aller Ungerechtigkeiten und sie Sühne aller Sünden anvertrauen kann. Also bitte, nach dieser langen Zeit rauchender Schlote und Industrieabfallverklappung direkt ins Meer ist es doch unmöglich ein Hightech-Zeitalter nicht willkommen zu heissen, das mit Grünem aus allen Poren nur so um sich schmeisst! Wieso den ForscherInnen kein Vertrauen schenken, die das versprechen, was wir für unmöglich hielten und in ihren Labors anscheinend den Heiligen Gral des ewigen Lebens und nachhaltigen Wohlstands entdeckt haben? Das ist ihre Botschaft, die sowohl von den Wirtschaftslobbys als auch von den Umweltlobbys lanciert wird, in peinlichem Einklang, der wie eine Gehirnwäsche daherkommt. Und trotzdem stellt sich die Frage, in diesem Alltag, wo wir unser Leben in einem Zement- und Asphaltlabyrinth fristen, wo unsere Hände mehr Tasten und Bildschirme als andere Hände und Körper berühren und streicheln und unser Geist eher in der Eventualität als in der unmittelbaren Wirklichkeit anwesend ist: von welchem Leben ist den die Rede? Was sind denn in diesem Begriff vom ewigen Leben die 50'000 nicht menschlichen Spezies, die wegen diesem „Fortschritt“ alljährlich ausgerottet werden? Und was heisst eigentlich Wohlstand? Die Haufen „Konsumgüter“, die sich in Supermärkten und Konsummeilen der Städte türmen und dazu bestimmt sind Abfall zu werden? Oder etwa die Lebenserwartung, die wir dadurch fast verdoppelt haben, indem wir jene „Andere“ halbiert haben, die weit weg von uns wohnenden, von uns ausgebeuteten SubproletarierInnen, der Unzivilisierten, die wir kolonisiert haben oder der von uns gezüchteten und misshandelten Tieren? Ist es diese Sklaverei- und Abfallgesellschaft, die wir nachhaltig und auf ewig reproduzierbar machen wollen? Denn der schädliche Charakter dieser technoindustriellen Gesellschaft liegt nicht nur im Schaden, den sie der menschlichen Gesundheit und der als touristische Ausstattung betrachteten Umwelt zufügt, ein Schaden, den sie im Rahmen von Grenzwerten und jährlich zugelassenen Dosismengen zu halten versuchen. Ganz im Gegenteil sind Klimawandel, Feinstaub, Bodenradioaktivität und die Folgen für unsere Gesundheit bloss die offensichtlichsten Auswirkungen und Anzeichen der vom Metropolenleben, den verbreiteten Metropolen, den Infrastrukturen der Industrieproduktion und des Massenkonsumismus dargestellten Schädlichkeit. Die Schädlichkeit ist dieses Industriesystem selbst, das Autonomie und Selbstbestimmung raubt, um alle und alles der Produktion von Dienstleistungen und Schrott zu unterwerfen. Die Anzeichen einer Krankheit mit der eigentlichen Krankheit zu verwechseln bringt nichts, führt zu keinen Lösungen. Folglich heisst die Weiterführung des Kampfes gegen die Folgen des industriellen Systems, anstatt Kampf gegen das Industriesystem an sich bloss, dass die weitere Zerstörung von Gebieten und Ökosystemen von Gemeinschaften und Spezies zugelassen wird, und das einem geringen Prozentsatz aller BewohnerInnen dieses Planeten weiter zu ermöglichen an ihrem eigenen Überfluss zu sterben. Die Forderungen nach einer ökosolidarischen oder nachhaltigen Wirtschaft, anstatt der aktuellen neoliberalen, führt auch nicht viel weiter; das Lebende wird weiter reifiziert und das Existierende weiter kommerzialisiert und der Marktwirtschaft zum Fressen vorgeworfen, die Richtung wird dieselbe bleiben, nämlich schnurstracks in den sozialen und ökologischen Kollaps hinein. Und wenn der gesellschaftliche Zusammenbruch an diesem Punkt schon fast als Hoffnung betrachtet werden kann, um von Null an neu aufzubrechen, um uns der Fäulnis der Institutionen und der solchen benötigtenden Mentalität zu entledigen, damit wir die aufrichtige und spontane Solidarität unter Individuen endlich entwickeln, so können wir uns keinesfalls den ökologischen Kollaps leisten. Entgegen allem Geschwätz der Pfaffen oder TranshumanistInnen, unser Schicksal ist und bleibt das Schicksal der Erde.
Längs der gesamten Geschichte strebten die Männer und Frauen aller Zeiten nach einem freien, selbstständigen und selbstbstimmten Leben. Ein Streben, das immer gegen Mächte (Herrschaften und Regierungen, wirtschaftliche und politische Mächte) prallte, die hingegen immer das Ziel hatten, die Kontrolle, den Besitz und den Missbrauch über das Leben anderer an sich zu reissen. Die uns aus den Büchern bekannte Geschichte kann als chronologische Entwicklung dieser Machtgier betrachtet werden, die von den antiken Zivilisation bis heute sich immer stärker verbreitet, strukturiert, verfeinert und konzentriert hat. Paradox ist, dass im Zeitalter, das sich wie noch nie mit der Etikette Freiheit voll klebt, diese Beherrschung die Möglichkeit hat den Kreis zu schliessen, total zu werden, und das dank dem Beitrag von „Grössen“ der Wissenschaft, durch die Kontrolle des unendlichen Kleinsten der Bausteine des Lebens möglich wurde: der Gene und der Materie.
Leider ist jene Idee so verbreitet wie krankhaft, die den modernen Wissenschaften und den von diesen stammenden Technologien eine neutrale und wesentlich positive Rolle in der Geschichtsentwicklung zu spricht, während diese hingegen schon an sich TrägerInnen einer Unterscheidung sind, als Ausdruck einer Kultur, die sich selbst ins Zentrum des Universums gestellt hat, ihre Werte als überlegen und folglich allgemeingültig definiert hat, und die alles was „anders“ war zur Ressource zu ihren Diensten gemacht hat. Wissenschaft und Technologie als neutral zu definieren ist nur schon angesichts ihres erdrückenden Beitrags, den sie zur Verbreitung und Auferlegung unseres sozialen und wirtschaftlichen Modells auf beiden Halbkugeln geleistet hat, gelinde gesagt naiv. Diese angebliche Neutralität ist eher eine gutmütige Fratze, die der technoindustriellen Gesellschaft zum Heiligenschein einer natürlichen Evolution verhilft, um sie uns besser als unausweichbar zu verkaufen. Bio- und Nanotech, die und die Medien und Institutionen als vom Himmel geschenkte und gefallene Entwicklung-Manna zu verdealen versuchen, die alle Probleme der Erde lösen und sie eilig retten wird, stellen ganz im Gegenteil für das industrielle und technologische System die Chance dar, sich völlig neu zu definieren und seine Herrschaft in der Chancenlosigkeit zu verankern , die wir alle haben werden um uns der Abhängigkeit von seiner Produktion, seinen Infrastrukturen/Institutionen und seinen Technologien zu entziehen.
Ein Beispiel mehr dieses modernen Jochs, der durch die Gewohnheit des Tragens unserer Wahrnehmung entzogen wurde, liefern uns die jüngsten News über die steigenden Preise für Nahrungsmittel als Bedrohung durch neue Hungersnot der Völker Asiens und Afrikas und nicht nur. Preisanstieg als einen der Funken, welche die Revolten ausgelöst haben und nicht aufhören den Flächenbrand in den arabischen Ländern zu nähren... Wie immer sind die WirtschaftswissenschaftlerInnen mit prompten Rechtfertigungen zur Stelle, die ihren wirtschaftlichen Gesetzmässigkeiten wie immer so schön entsprechen, mit denen sie seit Jahrhunderten versuchen für die erpresserischen Sklaverei des Kapitals einen natürlichen Ursprung herbeizureden. Sie geben der Dürre in China, dem zu vielen Regen in Indien, den Überschwemmungen in Australien oder den Flächenbränden in Russland die Schuld. Manche geben auch „Spekulation“ auf den Warenmärkten zu, als wäre das verwunderlich und zum Kopfschütteln... Für sie, die Regierungen, die Welt der Wissenschaft und Wirtschaft ist, selbstverständlich, wieder einmal die Natur für die x-te aufkommende Nahrungsmittelkrise die Schuld, diese ach so unvollkommene und irrationale Natur und niemals der Kapitalismus, der den Gemeinschaften die Ernährungssouveränität geraubt, und die Böden, Wälder, Gewässer und auch das Leben von Milliarden von Unterdrückten der Plünderung durch Regierungen und Industrie ausgeliefert hat. Ihre Lösung wird die ewig gleiche sein, Kampf(?) dem Hunger auf der Welt durch Erhöhung der Produktion, ihre Rationalisierung und Technologiesierung ... und eine weiter Ausbreitung des Industriesystems, dieses Parasiten, der uns die gesellschaftliche und ökologische Verheerung gebracht hat und mit dem wir zusammenleben müssen. Ähnlicherweise in Europa, wo Regierungen und Agrobusiness immer mehr Druck aufsetzen, sich mit wissenschaftlichen Grundlagen stark machen die ihnen nicht widersprechen, um die endgültige Vermarktung der GVO durchzusetzen. Ein institutioneller aber auch sehr praktischer Druck durch „zufällige“ Kontaminierungen mit GVO-Samen plus des Werks der Medien und Lobbys um uns die Hightechzukunft wünschenswert zu machen. Was ein klarer Wink mit dem Zaunpfahl ist ja bequem im Sofa zu bleiben und resigniert zu warten bis der Vorhang aufgeht.
Bio- und Nanotech und die Entwicklung des Nuklearen nisten in unserem Alltag eine Schädlichkeit ein, deren Tragweite sowohl der Verbreitung als auch der Bedrohung in der Geschichte neu ist. Angesichts der Ökosysteme über und unter dem Wasser und ihres krassen Zustandes bleiben wahrlich keine Ausflüchte mehr übrig um abzuwarten, dass „jemand“ etwas unternimmt oder das Bewusstsein der Menschen endlich erwacht.
Dieser Hungerstreik ist um sich einmal mehr drinnen als KomplizInnen der Kämpfe draussen zu fühlen. Um der Resignation einen Tritt zu verpassen. Denen drinnen wie draussen ein Lächeln, die uns von Angesicht zu Angesicht sehen möchten. Euch draussen eine feste Umarmung, auch den verhafteten Genossen von Bologna, den Schlaflosen CastorblockiererInnen in der ValSusa und allen überall, die weiter nicht weichen.
Für Tier- und Erdbefreiung!
Billy, aus dem Knast des sozialen Friedens, der 29. April 2011