Brief von Costa DIE SOLIDARITÄT IST IN BEWEGUNG
„Im Moment der Aktion beherrschen wir nur die angewendeten Mittel und nicht das gewollte Ziel oder, genauer, wir beherrschen das Ziel nur über die Mittel. Das Ziel gehört der Zukunft, nur die Mittel gehören der Gegenwart, es ist also wichtig, dass die Mittel „Anfang des Zieles“ seien.
Jean Marie Müller
Liebe GenossInnen,
Eure Nähe und Komplizität hörte am 15. April nicht auf, als ich mit Billy und Silvia zusammen hier in der Schweiz verhaftet wurde; mit der Anklage eines versuchten Angriffs auf die neuen sich im Bau befindenden Strukturen eines der weltweit wichtigsten Forschungszentrums im Bereich der Nanotechnologien des amerikanischen Multis IBM, der seine Labors in Rüschlikon bei Zürich hat.
Unser schönes Mietauto und unser breites Lächeln genügten offensichtlich nicht um die Strassensperre zu passieren. Diese Verhaftung wird dann in den bis anhin sehr wenigen verfügbaren Akten als „auf Grund ihres nervösen Verhaltens“ beschrieben. Es muss eine besonders „negativ energiegeladene“ Strasse gewesen sein, da jedes passierende Fahrzeug angehalten und auf einem Ausweichsplatz kontrolliert wurde, wo fünf oder sechs Streifenwagen und ein Zivibus mit verdunkelten Scheiben mit Informatikausrüstung und starken Scheinwerfern auf dem Dach da waren. Wir waren nicht das einzige angehaltene Auto aber den Blicken unter den Bullen nach waren wir die Attraktion; keine Ahnung ob sofort oder nach der Abfrage in ihren Terminals. Ich glaube es waren die Letzteren, der sich an uns mit ein wenig Italienisch wendende Beamte wird unsere Sprache brauchen, als er dem nächsten Kollegen „Terrorismo“ sagt, bevor sie uns und gleichzeitig das Auto durchsuchen. Sofort kommt der erste Sprengstoff zum Vorschein und auch die Handschellen; in der Folge wird im Auto, das in Erwartung der Sprengstoffexperten eingezäunt wurde, die Behälter mit Gas drin, Brandutensilien und dutzende Texte gefunden.
Die Anklage, nachdem wir in drei verschiedene Gefängnisse der Schweiz zerstreut wurden, sind: Transport von Sprengstoff und Giftgasen, versuchte Brandstiftung und versuchtes Attentat. Letztere Anklage bezieht sich auf den Inhalt unserer Texte, die von einem Angriff mit Sprengstoff, Gas und Feuer sprechen, um die neue Produktion von Nanotechnologien unter dem Deckmantel der Forschung in den zukünftigen IBM-Labors zu verhindern. Die an verschiedene Informationsorgane addressierten Schreiben trugen die Unterschrift „ELF SWITZERLAND“.
Unterdessen haben auch die italiensichen Behörden begonnen sich mit der Sache zu befassen, auf die einzig mögliche Art: d.h. durch Ermittlung wegen Art. 270Bis (subversive Vereinigung zum Zwecke des Terrorismus) weil, als angeblich Mitglieder der ELF (Earth Liberation Front) wir untereinander und mit anderen noch zu identifizierenden Subjekten eine Vereinigung gefördert, gebildet und organisiert hätten, mit der Absicht der Ausübung von Gewalt mitdem ziel des Terrorismus oder Umsturzes der demokratischen Ordnung, auch gegenüber fremden Staaten. Im Gesuch um internationale Rechtshilfe an die Schweizer Behörden, der zwei ermittelnden Turiner Staatsanwälte schliessen dieselben mit der kuriosen Bemerkung: „vorausgesetzt, dass nicht wegen politischen Vergehen oder im Zusammenhang mit politischen Vergehen vorgegangen wird...“.
In diesen Monaten der Haft werden wir einer immer stärkeren Zensur ausgesetzt, die soweit geht, dass in gewissen Fällen eine Kommunikation, die als solche bezeichnet werden kann, eigentlich verhindert wird. Jeder Brief, jede Karte, jedes Buch oder Papier wird vom Gefängnis an die Staatsanwaltschaft gesendet um gelesen und auf deutsch übersetzten zu werden; kürzlich wurde eine zusätzliche Beschränkung des Postflusses eingeführt: “...die ankommende und ausgehende Post mit der sich in Haft befindenden Person wird auf maximal 3 Briefe pro Wcohe (und vier maschinengeschriebenen Seiten“ beschränkt...“. Angeschichts der ganzen Umwege unserer Post, u.a. Die Übersetzungen, könnten „technisch-praktische“ Probleme als Grund der enormen Verspätungen unserer nie ankommenden Korrespondenz angeführt werden. Wir wissen aber nur zu gut, dass gewisse Strukturen wenn nötig sehr effizent sind, also können diese Beschränkungen nur gezielte Absicht sein, um jegliche Beziehung nach aussen einzuschränken. Denn was sollen diese sog. Präventiven Ermittlungen denn anderes sein, als der Versuch das repressive Netz auszuweiten: einerseits um eventuelle Komplizenschaften zu suchen und andererseits um uns noch mehr von der solidarischen und beziehungsmässigen Sphäre zu isolieren. Klar ist, dass in diesen Monaten sich viel Komplizenschaft gezeigt hat: offensichtlich zuviel! Und derart, dass jeder gezielte Angriff, den die Bundespolizei und -anwaltschaft gerne geführt hätte, verhindert wurde. So sind sie von einer funktionalen Öffnung auf eine notwendige Schliessung übergegangen.
Die Nähe und Komplizenschaft in diesen Monaten wurde zur grossen und sofortigen internationalen Solidarität, unter Überwindung jeglicher spezifischen Tendenz, und wurde in den tausend Arten, die jedes Individium oder Situation für angebracht hielt, ausgedrückt. In der Schweiz, in Italien und vielen anderen Ländern: Initiativen, solidarische Momente und Kundgebungen der Nähe wie der wunderbare aus dem Gefängnis San Michele von den gefangenen anarchistischen Genossen. Alles mit dem einzigen Zweck, ohne diesen definieren und koordinieren zu müssen: diese Solidarität aktiv und lebendig zu machen und vor allem in Bewegung zu setzen. Die sehr starke Zensur hat diesen Flus snicht verhindert, der immer energischer wurde von drinnen nach draussen und von aussen nach innen. Unsere beste Kommunikation: der unlösbare Faden, der nicht einmal auch nur kurz lose wurde, sind die laufenden Kämpfe. Gerade diese haben unseren Weg in diesen Jahren charakterisiert, vor allem in unseren Widerstand gegen die industriellen und technologischen Schädlichkeiten wie Bio- und Nanotech. Indem Umweltschutz nicht als Wissenschaft der Herrschaft sondern als Notwendigkeit geführt wurde, einen starken Widerstand zu schaffen, der angesichts des laufenden Ökozids immer weniger vertagt werden kann.
Der gesamte Planet brennt, schmilzt, wird steril, verändert sich, wird von Rohöl und toxischen Stoffen bedeckt, verschwindet unter dem Imperativ des Fortschritts und der Ideologie der Herrschaft der Entwicklung. Es gibt viele Theorien und Annahmen über den Ursprung der ersten Lebensformen auf dem Planeten. Aber sicher ist, dass sie enden können, und das ist unter den Augen aller. Die Klimaveränderungen und die immer totaleren Kriege (atomare und nano-biotechnologische), die jeder Staat zurzeit vorbereitet auf wenn die Zeiten noch kritischer sein werden, belegen es.
Übrigens ist das der Mechanismus der Industriegesellscahft, der sich in der Massengesellscahft und in ihrer Todeswirtschaft reproduziert.
Die Gefahr ist nicht nur die Tatsache der Möglichkeit der Zerstörung der Herrschaftsgesellschaft; sondern die Idee und die Voraussetzung an sich der Notwendigkeit derselben. Die Formen der Kontrolle und der sozialen Entleerung wurden „verinnerlicht“ bis zu dem Punkt, dass die Opposition an ihren Wurzeln angegriffen wird, und die Weigerung „am Spiel teilzunehmen“, wie die anderen zu „marschieren“ als irrational, „neurotisch“, undenkbar erscheint: wie eine seltsame Krankheitsform solcher Tiefe, dass sie die Unterscheidung zwischen aufgezwungenem und spontanem Verhalten verwischt.
Die Zerstörung der Natur enthüllt nocheinmal ihr vollständiges Ausmass in Anbetracht der Tatsache, dass wir die anderen Tiere Teil von ihr sind. Wie können wir umhin, die Analogie zwischen einer durch die Wachstumshormone von Monsanto zur grösseren Milchproduktion drogenabhängig gemachten Kuh, zwischen Pflanzen, die ohne andauernden chemischen Input nicht mehr überleben
können und Menschenwesen nicht feststellen, die von Kindheit an mit Ritalin drogenabhängig gemacht werden, dann mit Prozac, Beruhigungsmitteln, Gentech bis sogar zur Abhängigkeit und Akzeptanz auf freiwilliger Basis eines sozialen Kontextes, der immer untragbarer wird.
Kühe erleiden die intensive Haltung und die damit Wahnsinnsprionen, die technisierten Pflanzen brechen aus den Grenzen der Labors aus, und Mann und Frau sind zu universellen Instrumenten im Dienste des technischen Apparates geworden. Die Technologie und vor allem die konvergenten Wissenschaften (Nano- und Biotech, Kybernetik, Neurowissenschaften) sind daran, die Essenz selbst aller Lebewesen zu ersetzen: das Sein an sich und für sich stellen sich als von der Technik konstruiert heraus, als instrumentelle Struktur mit dem eigenen „Zweck“, die eigene wahre Daseinsberechtigung ausserhalb von sich selbst zu suchen, in der neuen kollektiven und anonymen Rationalität einer wirksamen aber blinden Kollektivität. Als Totalität beinhaltet der technische Apparat die von ihm geforderten Leistungen und die von ihm produzierten Sachen; er auferlegt die eigenen Bedürfnisse den Verhaltensweisen, den Bestrebungen und den Werten des Mannes und der Frau; er konstruiert den endültigen Rahmen der Erfahrung der Welt: definiert die Hoffnungen und das Scheitern und alles, was legitim geträumt, gefürchtet und gewünscht werden darf.
Sein höchstes Versprechen, dass sich in den fortgeschrittendsten Industriegesellschaften progressiv erfüllt, ist das eines immer komfortableren Lebens und einer wachsenden Sicherheit für einen immer grösseren Teil der Bevölkerung. Mit dem Fortschritt der technischen Wirklichkeit Richtung einer immer kompletteren Herrschaft wird es null und nichtig: es löst sich in Rauch auf. Sie bieten am Ende des Fortschritts eine künstliche Existenz an. Wir gehen Richtung Singularität: die technische Realität definiert jeden Aspekt der Natur neu, ihre Vergangenheit und ihre Gegenwart aber vor allem ihre Zukunft. Sie wird Garant der Krise und des „natürlichen Desasters“. Vielmehr noch, diese Aspekte sind immer mehr die Essenz der Herrschaft, die sich nicht etwa in einem provisorsichen „Notstand“ sondern gerade in jenem verewigt, der „permanent“ geworden ist. Wahre Macht ist heute gerade die, die sich in den Falten dieser unabdingbar und folglich unauslöslich gewordenen Infrastruktur versteckt; von wo aus die Welt als Geisel halten kann. Herrschaft kann heute sehr wohl auch von jenem Wissenschafter dargestellt werden, der die Welt von der Kultursuppe in seinem Labor aus betrachtet; und auf einen Zufall wartet, wie ein Kasinozocker: dass dieses oder jenes Nanomolekül an die rechte Stelle wandert oder auf das die Genkanone diesmal doch endlich treffen möge. Vielleicht noch mit dem Resultat dem Patent näherzukommen, das vom Multi schon längst reserviert worden ist. Nach Überwindung der schlicht geschäftlichen Phase wird der nächste Schritt des Systems der „symbolische“ Teil sein, mit dem es wieder einmal mittels des technischen Instrumentes und der Manipulierung die Richtigkeit des eigenen eingriffsmodells belegen wird. Darin spielt der eigentliche operative Arm die grundlegende Rolle: die Wissenschaft. Diese hat der technologischen Herrschaft nicht nur immer neue Möglichkeiten eröffnet; sie hat auch (immer offensichtlicher) die existientielle Erfahrung, die Moralität und jegliche Bestrebung von Mann und Frau geleitet. Sie hat die Rolle der Natur und der anderen Tiere neu definiert. Diese Regierung war offenbar indirekt, „vermittelt“: die wissenschaftliche Methode schien in sich nichts zu bergen, was eine Verhaltensorientierung an sich liefern könnte, keine Idee für das zu erreichende Zweck und „Ziel“. Sie schien von allen Gesichtspunkten her neutral zu sein. Heute wissen wir, das dem nicht so ist.
Diese Siege über die Natur (darunter die menschliche) haben uns die Erbschaft von Umwelt- und sozialen Katastrophen nie gekannten Ausmasses hinterlassen und die Zukunft schon mit anderen noch grösseren Ausmasses vorbelastet.
Dass das für die Mobilisierungen eine günstige Periode ist, wird durch die grosse Breite der militanten Solidarität belegt. Ich denke es ist ein optimales Einschätzungsmass zur Qualität und eingeschlagenen Richtungen des Kampfes. Und auch für das Verständnis der Dynamik, die dem Herrschaftssystem innewohnt, und vor allem beweist es, dass wir gelernt haben mit der Repression zu leben: als einzige Art um Räume der Freiheit aufrecht zu erhalten und immer Neue zu schaffen.
Ohne sich in eine einfach defensive Aktivität zurückzuziehen, die auf die Länge zum Verlust von erobertem kostbaren Terrain führen würde, sondern indem vorangeschritten wird. Das repressive Moment bringt immer Zerstörung und Verlust für die betroffenen Situationen, aber es verläuft im Sand der Bedeutung, die wir ihm zu geben fähig sind, und in unserer Stärke: neue Hindernisse zu bilden, die das Räderwerk dieser Todesmaschine wieder zum Stillstand bringen werden.
Ich möchte auf zwei solidarische Momente näher eingehen, die gerade in diesen Wochen Form annehmen und denen ich meine völlige Unterstützung und Solidarität ausdrücken möchte. Es handelt sich um die Kampagne zur Befreiung der Langzeitgefangenen und der internationalen Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch, Grünanarchist und seit mehr als zwanzig Jahren in Italien und der Schweiz gefangen.
Diese beiden Kampagnen haben dasselbe Wesen. Nicht nur weil die Regierungen, und im Fall von Marco auch die Atommafia (die sich seit kurzem in der Schweiz wieder lauthals bemerkbar macht), die Gefangenschaft jener, die ihre Welt der Ausbeutung in Frage gestellt haben, nie beenden möchten.
Diese revolutionären Gefangenen, ob Anarchisten wie Marco, Antiimperialisten wie die Gefangenen von Action Directe, ob aus der baskischen Befreiungsbewegung, KomunistInnen der GRAPO und des 17. November oder auch die UmweltschützerInnen von MOVE oder ELF in den USA und noch viele viele andere haben grundlegende gemeinsame Aspekte. Sie haben die verschiedenen Fratzen des Systems kennengelernt, die mit den Lügen der Herrschaft aufrecht erhalten werden: des Faschismus, je nach dem die autoritäre oder demokratische oder alle miteinander.
Sie haben jahrelang des immer härtesten Knastes erlebt oder leiden immer noch darunter: Isolierung, Folter, Differenzierung, Entzug, Verschwindenlassen und physische Eliminierung. Manchmal ist das System auch „gnädig“ mit diesen sehr lang gefangenen Leuten, wie als sie nach langen Jahren die Militante von Action Directe Nathalie Menigon gerade noch rechtzeitig rausliessen um bei ihren Lieben an einem Leiden zu sterben, das durch den Knast verschlimmert wurde und innerhalb der Mauern unmöglich behandelt werden konnte.
Die enorme Verbissenheit der Bullen und der Justiz gehört nicht einem besonderen territorialen Kontext oder dem x-tem „Notstand“ an. Sondern ist das Ergebnis einer geplanten Strategie, die allerorts, in Europa wie in den USA und andern Ländern auch, sich immer mehr gleicht. Eine repressive Strategie auf dem maximalen Niveau an Vernichtung, gleich welche Ebene von Opposition auf dem Terrain aufgestellt ist. Wo die Wirtschaft des Todes ihre Werk auf die eigene Art strickt und alles plündert und raubt, was dem Aufbau einer anderen Macht günstig oder Beitrag wäre, ist todsicher dass Widerstand nicht toleriert wird. Der für diese RebellInnen vorgesehene Knast stellt für das System das letzte Glied dar zur Beendigung der konterrevolutionären, reaktionären, befriedenden Offensive und zur Wiederherstellung des Status quo, was logischerweise mit ihrer „Rehabilitierung und Entleerung“ enden muss, oder dann mit ihrer Vernichtung durch endlose Haft.
Eben, denn hier beginnt der wichtigste Aspekt, der überall in der Welt viele revolutionäre Gefangene charakterisiert.
Der Kampf gegen das System ist nicht zu Ende! Diese Gefangene sind nicht dazu bereit, sich in leere Puppen und zahme Ex-Militante verwandelt zu lassen ... sie bekennen sich weiter klipp und klar zu ihrer Identität und ihrem Empfinden und lehnen Bereuung und Distanzierungen von den Kampfprojekten ab, denen sie angehörten und angehören: indem sie ihre Stimme erheben und oft zur Aktion schreiten wie gerade stattgefundenen Hungerstreiks der Mapuche und Baskischen Gefangenen.
Letztere sind beispielhaft für die Art und Weise, wie ein Staat, in diesem Fall der spanische, mit seinem inneren Gegner abrechnen will; er erlässt neue Gesetze die nachträglich auf Gefangene angewendet werden, die ihre sehr lange Strafe schon abgesessen haben und oft auch wegen der erlittenen Folter schwer krank sind.
Diese grausame Verbissenheit gegen politische Gefangene seitens des Systems gipfelt auch in der Rechtfertigung oft nur präventiver drakonischer Repression. In Amerika bezahlen viele UmweltaktivistInnen der ELF mit drakonischen Strafen, weil sie ihre GenossInnen nicht verraten haben und sich nicht von ihren Aktionen distanzieren wollten. Und diesen einen präzisen Sinn verleihten und enthüllten, wer in dieser Ausbeutungs- und Vernichtungsgesellschaft die wirklichen Ökoterroristen sind. Und dass die Rettung des Planeten nicht „Freiwilligenarbeit“ sein kann, sondern eine unabdingbare Notwendigkeit zu handeln ist, nicht um das industrielle System zu reformieren oder es besser zu verwalten, sondern um es völlig zu vernichten. Bezeichnend ist der Fall der Ökomilitanten Marie Mason, die für verschiedene Angriffe auf ökozide Strukturen zu 22 Jahren verurteilt wurde, unter anderem wegen der Sabotage eines Biotechforschungszentrums, alles mit ELF unterzeichnete Aktionen. Schon seit einigen Jahren hat die Regierung der USA auf starken Druck der Industrie- und Forschungslobby die ELF zum Feind Nummer Eins erklärt, und danach war der Schritt zu langen Urteilen und schwersten Sondermassnahmen klein.
Die Angriffe auf die weitergehenden Kampfsituationen und auch auf die Gefangenen haben das Ziel, das Widerstandspotential zu zertrümmern und zu spalten: und zielen auf die Repression derjenigen ab, welche die Herrschaftslogik mit ihrer grauenhaften „Normalität“ des Elends und der Zerstörung ablehnen.
In diesem Kontext erhält die Solidarität mit den revolutionären Gefangenen eine neue Bedeutung, die nicht ignoriert und vor allem nicht vernachlässigt werden darf. Sie sind organischer Teil der breiten Widerstandsbewegung, denn die Behauptung der Solidarität hängt unmittelbar mit der Entwicklung und den Erfolgen der Bewegung zusammen, aber auch umgekehrt, denn die Solidarität stärkt die Erfahrung und die Radikalisierung eines grossen Teils der Bewegung grundlegend.
Nur mit dem Aufbau einer starken und vielseitigen Solidaritätsfront, wovon die zwei genannten Kampagnen ein optimaler Ausruck sind und ich hoffe sie seien nur der Anfang, wird eine Umkehrung der Lage möglich sein, in der viele Gefangene stecken; eine anscheinend unveränderliche Lage und das System will, dass sie so bleibt. Erfahrungen vergangener Jahre haben gezeigt, dass internationale Mobilisierungen diesen Prozess stoppen oder es ihm wenigstens nicht leicht machen können. Viele GenossInnen konnten wieder frei werden oder ihre Strafe wurde gesenkt, in anderen Fällen wie bei Mumia Abu Jamal, Militanter der „MOVE“, wurde die Hand des Henkers aufgehalten, aber nur nach einer enormen internationalen Mobilisierung.
Wenn wir überzeugt sind, dass die revolutionären Gefangenen Teil unserer Bewegung sind, dann glaube ich sind wir ebenfalls überzeugt, dass keine Bewegung hoffen kann eine radikale Kritik des Bestehenden auszudrücken oder etwas zu erreichen, wenn die eigenen Kämpfe nicht auch über die Forderung ihrer Befreiung laufen. Sicher ist, dass nicht die Institutionen, die Menschenrechtskonventionen oder humanitäre Vereine einen Unterschied machen werden. Denn gerade mit der Legitimierung solcher Institutionen und oft in ihrem Namen hat das System die verbrecherischten Gewalttaten und Zerstörungen gegen die Ausgeschlossenen und die Natur begangen.
Und das solange, wie die indische ökologische Schriftstellerin Arundhati Roy, die gegen die grosse Staudämme Indiens kämpft, schreibt: „auch Krieg Frieden genannt wird“.
Verwandeln wir „diesen glühenden Zorn eines sterbenden Planeten“ (ELF)
in ein Donnern der Revolte.
– Freiheit für Mumia Abu Jamal, Jaime Simon Quintela, Marco Camenisch, Georges Ibrahim Abdullah und alle politischen Gefangenen mit ausserordentlich langen Strafen, die im Gefängnis bleiben, weil sie sich weigern, ihre revolutionäre Identität zu verleugnen.
– Unterstützen wir die Kampagne zur Befreiung von Marco Camenisch
– Freiheit für die Ökoanarchisten Leonardo Landi, Silvia Guerini, Luca Bernasconi
– Freiheit für die politischen Mapuchegefangenen im Hungerstreik
– Und überall und jedenfalls alle Käfige für alle öffnen
Costantino Ragusa – Gefängnis Bern Oktober 2010