Wenn die Linke des Spektakels sich mit der parapolizeilichen Rolle begnügt
Am zweiten Tag des letzten Generalstreiks in Griechenland zeigten die Stalinisten der griechischen „kommunistischen“ Partei KKE und deren Gewerkschaft PAME einmal mehr ihr wahres Gesicht: sie zeigten sich als Wachhunde der Macht. Es ist nicht das erste Mal, dass sie eine soziale Revolte verraten. Das jüngste Beispiel ist nicht mal länger her als 2008 als sie die Revolte nach der Ermordung von Alexandros Grigoropoulos durch die griechische Polizei verurteilten. Diese politische Strategie zwischen Kollaboration mit der Macht und Vereinnahmung von Revolten ist der rote Faden in der Geschichte dieser Partei seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Auch die Schweizer Stalinisten haben die Kollaboration ihrer griechischen Genossen verteidigt und ihre Lügen reproduziert.
Zuerst muss daran erinnert werden, was geschah an diesem 48-stündigen Generalstreik am 19. und 20. Oktober. Am ersten Tag gingen Hunderttausende in ganz Griechenland auf die Strasse, allein in Athen demonstrierten zwischen 200'000 und 500'000 Menschen gegen die Massnahmen zum Haushaltsausgleich. Die Bullen wurden am Syntagma-Platz brutal angegriffen und hätten fast die Kontrolle über den Zugang zum Parlament verloren. Am Tag danach entschied die PAME, das Parlament zu umzingeln, offiziell um die Abgeordneten daran zu „hindern“, herein zu gelangen. Nur waren sie schon drin. In Tat und Wahrheit hinderte der Sicherheitsdienst der stalinistischen Gewerkschaft alle anderen Demonstranten daran, auf den Syntagma-Platz zu gelangen. Dies nicht friedlich, wie man es nach der Lektüre der bürgerlichen Presse, die von auf dem Platz versammelten „friedlichen Demonstranten“ sprach, glauben könnte, sondern mit Stöcken und Pflastersteinen, zudem waren sie mit Helmen ausgestattet. Gemäss einem Erlebnisbericht begann der Gegenangriff als ein Mädchen der Bewegung „Den plirono“ („Ich werde nicht bezahlen“) von stalinistischen Schlägern mit Stockschlägen auf den Kopf traktiert wurde.
Darauf flogen Pflastersteine, Flaschen und Molotov-Cocktails in Richtung der Reihen der kollaborationistischen Gewerkschaft, welche weiterhin das Parlament verteidigten mit den Robocops, die dahinter gemütlich warteten. Die Schweine waren sichtlich erfreut, dass sie jemand anderen für die Drecksarbeit gefunden hatten. Erst als die rot gekleideten Bullen von den Wütenden dazu gezwungen wurden, den Platz zu verlassen, übernahmen die grün gekleideten. Und die roten Bullen haben ihre Arbeit trotz allem gut gemacht: sie verletzten mehrere Demonstranten teilweise schwer und übergaben mehrere den grünen Bullen. Es sollte auch betont werden, dass es nicht nur Anarchisten waren, die die PAME angriffen, es hatte auch Kommunisten, Basisgewerkschafter und wohl noch viele andere, denn die PAME ist allgemein nicht besonders beliebt.
Die 1918 gegründete KKE, gemäss ihrer Homepage gegründet „als Resultat des Reifens der Arbeiterklasse unseres Landes und seiner Verbundenheit mit der revolutionären Doktrin des Marxismus-Leninismus“, kollaboriert nicht das erste Mal mit der Macht. Und wenn nötig, beteiligt sie sich an Regierungskoalitionen, wie 1945 und 1989. In einer Zeit, wo alles nach „nationaler Einheit“ und „Übergangsregierungen“ stinkt, kann die KKE natürlich hoffen, Mitglied einer eventuellen „Regierung der nationalen Einheit“ zu werden. Dafür gibt es nichts besseres als den Mächtigen zu zeigen, dass sie bereit ist, den bürgerlichen Staat zu verteidigen – eine notwendige Bedingung, um am Festessen teil zu nehmen.
Schon 1973, während der Revolte gegen die Junta an der polytechnischen Schule von Athen, sah die Zeitung der „kommunistischen“ Jugend nur Verschwörungen: „Wir verurteilen den vorsätzlichen Einfall ins Athener Polytechnikum von 350 organisierten Provokateuren des griechischen Geheimdienstes am Mittwoch 14. November … sie waren beauftragt von der Spitze der Junta, Papadopoulos, und des amerikanischen CIA, die die Absicht hatten, durch lächerliche anarchistische Parolen und Slogans, die nicht den Geist der Zeit und spezielle Kräfte repräsentieren, zu tyrannisieren und provozieren.“ Danach versuchten sie alles, um die Revolte durch Sabotage zu beenden, jedoch ohne grossen Erfolg. Ende November fiel die Junta und das Propagandabüro machte sich daran, die Mythologie an die neuen Gegebenheiten anzupassen. Heute kann man auf der Homepage der KKE folgendes lesen: „Während all dieser Zeit des Widerstands gegen die Militärdiktatur (1967-1974) spielte die KKE eine entscheidende Rolle in der Mobilisierung des Volkes, der Jugend und der Studenten und auch in den Demonstrationen im November 1973 an der polytechnischen Schule von Athen, die den Fall der Obristen-Junta beschleunigten.“ Das einzig Wahre daran ist, dass sie „eine entscheidende Rolle spielte“: sie hätte fast zur Rettung der Junta beigetragen!
Die Partei folgte der gleichen kollaborationistischen Linie während den Universitätsbesetzungen 1979 und 1999. Am 25. Jahrestag der Revolte 1998 wehrten sich die Jugendlichen gegen die Vereinnahmung der Revolte durch die KKE. Während der Demo arbeitete der Sicherheitsdienst der KKE Hand in Hand mit der Aufstandsbekämpfungspolizei MAT, 153 Studenten wurden verhaftet.
Als der 15-jährige Alexandros Grigoropoulos am 6. Dezember 2008 von den Schweinen ermordet wurde, drückten etliche Jugendliche ihre Wut während Wochen in den Strassen aus. Kurz nach der Ermordung von Alexis sagte der Präsident der KKE Aleka Papariga in einem Interview mit einer Presseagentur: „Die Molotov-Cocktails und die Plünderungen vermummter Individuen, deren Führung Verbindungen zu Geheimdiensten und Zentren im Ausland hat, haben überhaupt nichts mit der enormen Wut der Schüler, der Studenten und der Leute im allgemeinen zu tun.“ Sogar die Regierung lobte ihn für seine „verantwortungsbewusste Haltung“. Während eines Parteikongresses 2009 wurde die lange Geschichte der Kollaboration mit dem Erreichen des Gipfels der ideologischen Entfremdung gekrönt. Während dieses Kongresses entschied sich die Partei für ein Zurück zum Stalinismus mit allem, was dazu gehört. Seither wird die Verteidigung der UdSSR nach 1953 als „revisionistische Position“ denunziert und die Moskauer Prozesse von 1936 bis 1938 wurden offiziell rehabilitiert.
Kennt man also ihren historischen Parcours, ist man von der Haltung dieser Partei während des letzten Generalstreiks etwas weniger überrascht. Das gleiche kann auch von der Lügenpropaganda gesagt werden, die durchaus in einer historischen Kontinuität steht. Sogar als schon klar war, dass der Gewerkschafter von den Bullen ermordet wurde oder womöglich aufgrund von Herz- und/oder Lungenproblemen starb, erzählten sie weiter, dass er von „Anarcho-Faschisten ermordet“ worden sei und, was noch schlimmer ist, sogar nachdem der Vorsitzende des Parlaments am 21. Oktober die Wahrheit eingestand, hat die KKE weiterhin bis heute die gleiche Lüge erzählt.
Die Stalinisten von überall stellten daraufhin sicher, dass diese Lüge weltweit verbreitet wird. In Deutschland zum Beispiel übernahmen marxistisch-leninistische Gruppen wie die DKP (Deutsche „kommunistische“ Partei), die Kommunistische Initiative oder das Blog Kritische Initiative das Communiqué der KKE Wort für Wort. Auf dem Schweizer Portal kommunisten.ch wird Indymedia Deutschschweiz der „Hetze gegen die organisierte griechische Arbeiterklasse“ bezichtigt. Dieses Portal, das mit dem stalinistischen Flügel der PdA (Partei der Arbeit - „kommunistische“ Partei der Schweiz) verbunden ist, bietet alle Devotionalien einer längst vergangen geglaubten Epoche an: Texte von Stalin, Arbeiterlieder, Links auf die Homepages „sozialistischer Länder“ (Weissrussland, China, Kuba, Nordkorea, Vietnam) und noch vieles mehr.
Es sollte jedoch gesagt werden, dass der Schweizer Stalinismus grossmehrheitlich ein Deutschschweizer Phänomen ist. Die Westschweizer Sektionen der PdA sind eher auf einer eurokommunistischen Linie und ziehen das gute Raclette der guten Doktrin vor. Sie sind allerdings ebenfalls der Kollaboration und der Vereinnahmung zugeneigt, man denke nur an den 1. Mai 2009 in Lausanne zurück. Während des Umzugs versuchten die Bullen zweimal gegen den Block von Action autonome zu intervenieren, es gab auch einige Verhaftungen. All das geschah mit dem Einverständnis der Gewerkschaftsführer der UNIA, die den Umzug organisiert hatte, und unter der Befehlsgewalt des Polizeiverantwortlichen, der Abgeordnete von A gauche toute (ein Bündnis zwischen dem POP und Solidarités) und Mitglied der POP (Parti ouvrier populaire, Volkspartei der Arbeiter, die Waadtländer Fraktion der PdA) Marc Vuilleumier. Diese gleiche Bande rief danach zu einer Demonstration am darauf folgenden 9. Juni auf, um eben diese Repression zu verurteilen, ein Aufruf, dem die Betroffenen logischerweise nicht folgten. Man erkennt die gleiche Vorgehensweise: zuerst Kollaboration, danach Lügen und Vereinnahmung.
Diese Bullenarbeit ist jedoch nicht nur die Spezialität der diversen Fraktionen der Sozialdemokratie. Von den Empörten, die in Spanien oder Griechenland kollaborieren bis zu den „guten Bürgern“, die sich vor kurzem den Aufständischen in Rom in den Weg stellten, hat die Polizeiarbeit eine unendliche Anzahl an Verkleidungen. Für uns ist klar, dass jeder, der sich wie ein Bulle benimmt wie ein Bulle behandelt werden wird, ob er nun als Bürger, Empörung oder revolutionäres Spektakel verkleidet sein mag. Das ist keine Frage der Ideologie, sondern eine Frage des Überlebens. Wir sehen keinen Grund, zu moralisieren hinsichtlich der Geschehnisse am 20. Oktober, wir überlassen das den verschiedenen bürgerlichen Fraktionen. Die Worte eines Kommunisten, der an diesem Tag auf der Seite der Aufständischen kämpfte, bringen es auf den Punkt: „They have chosen their side. They shall burn with it.“
Übersetzt aus dem Französischen von Le Réveil